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Susanne Krause-Hinrichs, Geschäftsführerin der Stiftung, sprach am 23. Mai 2024 auf dem Markt der Möglichkeiten im Rahmen des Demokratietages in Leipzig zur Feier des 75. Jubiläums des Deutschen Grundgesetzes. Sie finden die Rede im Wortlaut untenstehend:


Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, lieber Burkhard Jung, sehr geehrte Frau Konsulin Mazzone, lieber geschätzter Henry Lewkowitz, sehr geehrte Damen und Herren.

Mein Name ist Susanne Krause-Hinrichs, ich leite die F.C. Flick Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz in Potsdam. Ich bin und das ist keine Floskel – sehr stolz und dankbar, heute Teil der Demokratie in Leipzig zu sein. Ich möchte in der kurzen Zeit und zu dem wichtigen Thema keine große Vorstellung unserer Stiftung machen, soweit nur – wir fördern und initiieren Projekte insbesondere für junge Menschen auf allen kulturellen Ebenen, die sich für eine offene, demokratische Gesellschaft und gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit engagieren. In dieser Funktion sind wir seit Jahren eng mit dem Erich-Zeigner-Haus und der Stadt Leipzig verbunden. Es ist eine wichtige und fruchtbare Verbindungmit mit dieser großartigen Stadt und ihrer Zivilgesellschaft, die in Sachen Weltoffenheit, Engagement für Demokratie in Ostdeutschland und bundesweit Vorbildcharakter hat.

Das Grundgesetz hat Geburtstag: 75 Jahre. Seit 75 Jahren ist es der rechtliche Garant für Glück, Freiheit und Unversehrtheit. Rechte, die noch vor 80 Jahren vielen Menschen in der deutschen Gesellschaft verwehrt und brutal genommen wurden. Das Grundgesetz ist aber auch der Garant für Frieden, Frieden im Inneren des Landes und auch Frieden nach außen.

Es ist das Gerüst unserer Demokratie.

Leider ist dieser 75. Geburtstag keiner, in dem man sich zufrieden bei einem Stück Kuchen zurücklehnen und feiern kann. Unsere Demokratie und damit auch das Gerüst dieser Demokratie steht unter Druck und vor einem Stresstest, wie wir ihn in dem wiedervereinigten Deutschland noch nicht erlebt haben.

Die Begriffe des Grundgesetzes, die Menschenrechte auf Leben und Freiheit aber auch zentrale demokratische Prinzipien, wie Gleichheit und Solidarität definieren, werden aktuell missbraucht und verdreht. In einer Zeit der Umbrüche, Krisen und Verunsicherungen, erzeugen desinformative und hetzerische Kampagnen im Netz und auf Plakaten Angst und versprechen gleichzeitig grenzenlose Freiheit und Herrschaftsgewalt. Fakt und Fiktion sind oft kaum voneinander zu unterscheiden.

Die persönliche Freiheit, ein unabänderliches Grundrecht, in Artikel 2 GG geschützt, wird besonders oft verzerrt. Es wird als Heilsversprechen umgedeutet – für den eigenen Egotrip– und als Befreiung von den Unbillen und Anforderungen der modernen Gesellschaft. Dabei ist auch diese nun mal nicht schrankenfrei, sie endet an der Grenze gesetzlicher Vorschriften und an der Freiheit des oder der anderen. (Rosa Luxemburg).

Oder wie Hannah Arendt sehr treffend formulierte:

Freiheit besteht nicht darin, tun zu können, was wir wollen, sondern nicht tun zu müssen, was wir nicht wollen. “

Auf einem Wahlplakat habe ich gelesen „Bargeld ist Freiheit“.

Ich glaube, kaum ein anderes Grundrecht wird derzeit so strapaziert, wie die persönliche Freiheit. Sie wird sehr oft missverstanden als Freiheit von persönlicher Verantwortung – als Freiheit von Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, der Politik und unseren Mitmenschen. Dabei ist die Verantwortung die wichtigste Schwester der Freiheit. Die Freiheit, Verantwortung zu übernehmen, ist das wirklich hohe Gut.

Umso schlimmer ist, dass immer mehr Menschen, die Verantwortung übernehmen, deswegen angefeindet, bedroht und sogar verletzt werden.

Das betrifft Menschen in der Politik, in der Zivilgesellschaft und im Polizeidienst, ehrenamtliche Helfer*innen, Menschen im Rettungs- und Sozialdienst, im Jugendschutz und ja – auch Richter*innen und Mediziner*innen.

Sie alle stützen unsere Demokratie! Und wir können und müssen das auch tun. Wir können das tun, indem wir uns engagieren – indem wir Menschen, die in Verantwortung stehen unterstützen und sie verteidigen – indem wir solidarisch sind, auch dann, wenn wir nicht einer Meinung sind. Unterstützen können wir auch, indem wir widersprechen, wenn wir mitbekommen, dass Fakten verdreht und demokratische Errungenschaften und Institutionen diskreditiert werden. Das ist nicht immer leicht und oft anstrengend. Es gibt aber keine Alternative dazu, wenn wir unsere Freiheit, und ich meine die Freiheit aus Artikel 2 des Grundgesetzes, welche die Freiheit aller ist, bewahren wollen.

Das Gerüst des Grundgesetzes ist nicht brüchig und noch schützt es unsere Demokratie. Was jedoch diese Demokratie mit Leben erfüllt, sind wir selbst, wird, die sie achten und sich für sie einsetzen und darauf dürfen wir stolz sein. Ohne uns ist auch das Grundgesetz nur eine leere Hülle.

Der Tag der Demokratie in Leipzig ist der Beweis, dass das gelingen kann und ich bin sehr froh, dass ich dabei sein durfte.


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