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Dr. h.c. Friedrich Schorlemmer

portrait_schorlemmerFriedrich Schorlemmer war bis zum Dezember 2019 langjähriges Mitglied des Stiftugsrats. Der Theologe und Publizist (geboren 1944), Sohn eines Pfarrers aus der Altmark, wurde in der DDR aus politischen Gründen nicht zum Abitur zugelassen, konnte es aber in der Volkshochschule nachholen. 1962 verweigerte er als Pazifist den Wehrdienst in der NVA. Von 1962 bis 1967 studierte Schorlemmer evangelische Theologie in Halle, leitete ein Studentenwohnheim (Konvikt) und wurde 1970 als Pfarrer ordiniert. 1971 bis 1978 wirkte er als Studentenpfarrer in Merseburg, ab 1978 als Dozent am Evangelischen Predigerseminar sowie als Prediger in der Schlosskirche in Wittenberg. Von 1992 bis 2007 fungierte Friedrich Schorlemmer als Studienleiter für Theologie, Kultur und Zeitgeschichte an der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt. 1980 entstand um Schorlemmer eine kirchliche Basisgruppe, die unter anderem 1988 dem Evangelischen Kirchentag in Halle die DDR-kritischen »20 Wittenberger Thesen« präsentierte. Am 1.Oktober 1989 ging der von Schorlemmer mitgegründete »Demokratische Aufbruch« (DA) als Oppositionsgruppe an die Öffentlichkeit – eine offizielle Gründung wurde noch mit hohem Polizeieinsatz verhindert. Der DA wollte eine demokratische, soziale und ökologische Sammlungsbewegung zur Demokratisierung der DDR sein und sich in einen gesamteuropäischen Entspannungskontext einordnen. Dabei ging man mehrheitlich noch von einem Weiterbestand der DDR unter neuen Vorzeichen aus. Schorlemmer gehörte zu den Rednern auf der Demonstration am 4. Nov. 1989 auf dem Alex und unterzeichnete Ende November 1989 den von Stefan Heym und Christa Wolf vorgelegten Aufruf »Für unser Land«, der die DDR-Bürger aufforderte, im Land zu bleiben und die Demokratie mitzugestalten. Nachdem der ursprünglich links-demokratisch orientierte und auf ein freies Europa orientierte DA fortan die Einheit Deutschlands in den Mittelpunkt stellte und von allen linken Ideen unter Federführung Wolfgang Schnurs Abschied nahm, wechselte Schorlemmer zur Ost-SPD. Anfang 1992 gehörte er dann zu den Mitbegründern des »Forums für Aufklärung und Erneuerung«, das sich eine in die politischen Kontexte gestellte politische und nicht bloß juristische Aufarbeitung der DDR-Geschichte zum Ziel setzte. Am 10. Oktober 1993 verlieh ihm der Börsenverein des Deutschen Buchhandels den Friedenspreis. 1997 zählte Schorlemmer zu den 33 Erstunterzeichnern der »Erfurter Erklärung«, die auf die Erfüllung des Art. 14,2 des Grundgesetzes beharrte und sich zudem für ein rot-grünes Bündnis ohne Ausgrenzung der PDS aussprach. Als erster DDR-Bürgerrechtler plädierte er im Januar 1999 für ein differenziertes Amnestiegesetz, das auf Fälle verurteilter DDR-Funktionäre Anwendung finden und sich weiterhin an individueller Schuld bei Menschenrechtsverletzungen orientieren sollte. Schorlemmer wandte sich gegen den Luftkrieg der NATO gegen Jugoslawien im Frühjahr 1999 wie auch gegen die US-Intervention in Afghanistan vom Oktober 2001. Er gehörte frühzeitig zu den vehementen Gegnern des Irakkrieges. Im November 2001 bekundete er gemeinsam mit 170 Autoren, Künstlern, Kirchenvertretern, Gewerkschaftern und SPD-Anhängern seine Unzufriedenheit mit der rot-grünen Bundesregierung, die er vor einem »Weg in die Barbarei« durch eine »völlige Ökonomisierung der Gesellschaft« warnte. 2002 erhielt er die Ehrendoktorwürde in Austin/Texas. Letzte Veröffentlichungen: „Absturz in die Freiheit. Was uns die Demokratie abverlangt” (2000) „Den Frieden riskieren. Texte aus 20 Jahren” (2003) „In der Freiheit bestehen” (2004) „Woran du dein Herz hängst. Politisches Handeln und christlicher Glaube” (2006)„Lebenswege Bd. 7 und 8: Gespräche mit Zeitgenossen” (2009), „Was protestantisch ist. Große Texte aus 500 Jahren” (2008), „Wohl dem, der Heimat hat” (2009)

Foto: Joachim Liebe