Für die Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung und die Kreisau-Initiative Berlin e.V. war der Deutsch-Polnische Fachaustausch im Oktober bereits die dritte Veranstaltung dieser Art in diesem Jahr.
Der Fachaustausch ist eines der Projekte in Kreisau, die speziell für sozial benachteiligte Jugendliche und Jugendliche konzipiert worden sind. Mit einem speziell auf die Bedürfnisse von Benachteiligten ausgerichteten Programm erhalten die Schülerinnen und Schüler in Kreisau einen Einblick in die Kultur des jeweils anderen und lernen in diesem interkulturellen Rahmen Toleranz und Aufgeschlossenheit ihrem jeweiligen Nachbarland gegenüber. Beim Angebot an Seminareinheiten, Spielen, Übungen zur Wahrnehmungsschulung und Sport wird besonders auf die Betonung der Stärken der Jugendlichen Wert gelegt.
Beim deutsch-polnischen Fauchaustausch im Handwerk steht neben dem interkulturellen Austausch die praktische Arbeit im Vordergrund. Im Zentrum des Projektes steht daher die praktische Arbeit an Fenstern, Türen, Wänden und Möbeln der Internationalen Jugendbegegnungs- und Gedenkstätte Kreisau.
Die teilnehmenden Jugendlichen gingen auch im Oktober 2006 wieder äußerst motiviert an die Arbeit. Sicher liegt das auch daran, dass sie unter Anleitung ihrer deutschen Meisterin und ihres polnischen Meisters und in Begleitung ihres Deutschlehrers bzw. ihrer Sozialpädagogin außerhalb ihrer Lehrwerkstätten an einem professionellen Einsatzort arbeiteten und Resultate erzielten, die nicht lediglich Übungszwecken dienten, sondern dauerhaft bestehen bleiben. Die Holzbearbeiterlehrlinge aus Seelow und die Malerlehrlinge aus Stettin reparierten die von der Witterung teils stark beanspruchten Fenster im Schloss und gestalteten die dortigen Kellerräume zu Aufenthaltsräumen um: Die Wände wurden neu verputzt und gestrichen und eine Einrichtung aus Holz gebaut. Die deutschen und polnischen Lehrlinge arbeiteten in gemischten Arbeitsgruppen eng zusammen. Sie unterstützten sich gegenseitig und lernten von einander. Bei dem besonders auf Schüler mit Aufmerksamkeitsdefiziten wie auch Lese-Rechtschreibschwäche ausgerichteten Tandem-Sprachkurs an jedem zweiten Nachmittag der Jugendbegegnung lernten die Teilnehmenden deutsche und polnische Ausdrücken und Vokabeln, die die Kommunikation untereinander erleichterte. Neben der Arbeit blieb genug Zeit für Spaß bei Sport, Spielen, ein Lagerfeuer, eine Nachtwanderung, einen Tagesausflug in die Grafschaft Glatz und der Abschiedsfeier mit Disko.
Die jungen Auszubildenden hatten während des Fachaustauschs die Chance, ihr Wissen und Können zu zeigen und für sich ganz persönlich ihre fachlichen wie auch menschlichen Stärken zu erkennen. Trotz Sprachbarrieren war es allen Teilnehmenden möglich, in gemeinschaftlicher Arbeit gute Resultate zu erzielen, die sie mit Stolz dem Vorstand der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung am Abschiedsabend präsentierten.
Die Nachhaltigkeit des Projekts zeigte sich nicht allein in handfesten Ergebnissen wie z. B. den reparierten Fenstern und Möbeln oder gestrichenen Wänden, von denen die Stiftung Kreisau für lange Zeit profitieren wird, sondern auch in einem für die Ausbilder in ihren Ausbildungseinrichtungen merklich positiv veränderten Arbeits- und Ausbildungsklima. Die Jugendlichen waren deutlich motivierter, an den Unterrichtseinheiten in Berufsschule und Werkstatt teilzunehmen. Sie hatten teilweise zum ersten Mal in ihrem Leben ein merkliches Erfolgserlebnis.
Der Abschied fiel allen schwer und die Betreuer auf deutscher und polnischer Seite waren so begeistert von den Ergebnissen der Arbeit und der positiven Gruppendynamik, dass der Plan einer Schulpartnerschaft aufgekommen ist und man beabsichtigt, sich 2007 gegenseitig zu besuchen.
Die Auszubildenden zeigten sich sehr aufgeschlossen und interessiert ihren Nachbarländern gegenüber und arbeiteten überaus engagiert an der Überwindung von bestehenden Vorurteilen. Trotz ihrer Benachteiligung haben sie mutig Hemmschwellen und Barrieren überwunden und sich der Herausforderung, an einem fremden Ort mit fremden und eine andere Sprache sprechenden Jugendlichen gemeinsam zu arbeiten, zu lernen und Spaß zu haben, mit großem Erfolg gestellt.
Die Vorbereitung des Fachaustauschs fand in den Werkstätten der Fördereinrichtungen statt. Dort bereiteten die Schüler ihren Einsatz in Kreisau vor, indem sie wie z.B. im Falle der Holzbearbeiter, mit dem Möbelbau begannen oder wie die Malerlehrlinge durch ihren Meister in die speziellen Arbeitsweisen und -bedingungen bei Gebäuden, die unter Denkmalschutz stehen, eingewiesen wurden. Zurück in den Ausbildungswerkstätten erfolgt zudem eine intensive Nachbereitung des Projekts. Die deutsche Meisterin und der polnische Meister erklären anhand von Fotos noch einmal die Besonderheiten der geleisteten Arbeiten.
Für viele der deutschen Jugendlichen war dies der erste Aufenthalt außerhalb Deutschlands; für einige sogar außerhalb ihres Landkreises- schon das hat Ängste abgebaut und ihren Horizont erheblich erweitert. Für die meisten polnischen Teilnehmer stellte das Projekt die erste Begegnung mit deutschen Gleichaltrigen dar- sie empfanden dies als Bereicherung und konnte so manche Klischeevorstellung über Bord werfen.
Besonders freuen wir uns über die sich anbahnende Schulpartnerschaft zwischen der polnischen und der deutschen beteiligten Berufsschule.