Betritt man das Asylbewerberheim in Rathenow, taucht man in eine unbekannte traurige kleine Welt ein. Der Plattenbau ist trist, umzäunt und kameraüberwacht. Nicht nur sein grauer Hof ist ungepflegt und wenig einladend. Das Gebäude erdrückt durch seine Enge, in der hunderte von Menschen aus unterschiedlichen Ländern hausen. Da hier jeder eine andere Sprache beherrscht, fällt das miteinander Sprechen nur allzu schwer. Hier lebt keine homogene Gruppe von Menschen, wie es in der Öffentlichkeit so häufig imaginiert wird, sondern eine gänzlich heterogene Schicksalsgemeinschaft, die in ihrer Not hier gestrandet ist.

Die Kinder und Jugendlichen im Rathenower Flüchtlingsheim haben fast alle fließend deutsch gelernt, gehen zur Schule und sind dennoch kaum in das gesellschaftliche Leben in Rathenow integriert. Nicht selten stoßen sie auf latente, häufig auch offen aggressive Ablehnung.

Gesicht Zeigen! lag es am Herzen, diese Kinder und Jugendlichen einmal aus ihrem tristen Alltag herauszuholen und ihnen ein paar erlebnisreiche, unbeschwerte und glückliche Tage in Berlin zu ermöglichen.

15 Kinder und Jugendliche im Alter von 5 bis 15 Jahren sowie der 21jährige Josip nahmen an dem Projekt teil. Dies waren alle während der Laufzeit des Projekts im Heim wohnenden Kinder und Jugendliche. Die Jüngsten unter ihnen wurden von ihren Müttern bzw. Vätern begleitet. Insgesamt fanden 2 Berlinbesuche der Kinder und Jugendlichen in Berlin statt und 1 großer Abschlusstag auf dem Gelände des Flüchtlingsheims in Rathenow.

Das Programm in Berlin beinhaltete bei den beiden Besuchen: eine Stadtrundfahrt, den Besuch eines musikalischen Workshops in der Kreuzberger Musikalischen Aktion/KMA, ein gemeinsames Mittagessen, einen Besuch des Tierparks Friedrichsfelde, einen Besuch des IMAX-Kinos am Potsdamer Platz und den Besuch eines Abenteuerspielplatzes. Bei all dem lernten die Flüchtlinge Jugendliche aus Berlin kennen und zwischen einigen von ihnen entstanden Freundschaften, aus denen sich bereits längerfristige Kontakte entwickelt haben.

Da die Kinder und Jugendlichen in dem Flüchtlingsheim kaum Spielsachen und Spielmöglichkeiten besaßen, wurden abschließend Spielsachen und Sportartikel angeschafft, die den Kindern und Jugendlichen langfristig erhalten bleiben. Diese überreichten wir ihnen an unserem Abschlusstag, der mit einem Picknick auf dem Gelände des Flüchtlingsheims und dem gemeinsamen Ausprobieren der neuen Spielmöglichkeiten ausklang.

Das Projekt „Rathenow meets Berlin” war der erfolgreiche Versuch, den Kindern und Jugendlichen Deutschland und „die Deutschen” einmal von einer anderen Seite zu zeigen: freundlich, weltoffen, interessiert an ihnen und um sie bemüht. Für die Flüchtlinge waren es ganz besondere und aufregende Tage, an denen sie sich einmal austoben und unbeschwert sein konnten. Die Erinnerung daran wird bleiben und unser persönlicher Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen ebenfalls.

Text: Nadja Abdelhamid