Es ist Dienstag, 15. Februar 2011, gegen 10.30 Uhr.

Im Vorraum der Aula des Gymnasiums Villa Elisabeth in Wildau versammeln sich zahlreiche Gäste des öffentlichen Lebens aus Berlin und Brandenburg. Sie alle sind gekommen, um gemeinsam mit Projektschülerinnen und –schülern des Gymnasiums die Ausstellung Marie Jalowicz (1922-1998) „Ich musste in die „Illegalität“ Eine Jüdin im Untergrund zu eröffnen.

Zu den Ehrengästen zählten u. a. die Schirmherrin der Ausstellung die ehemalige Ausländerbeauftragte der Bundesregierung Frau Cornelia Schmalz-Jacobsen, der Direktor der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judiacum, Dr. Hermann Simon und die Geschäftsführerin der Flick-Stiftung Frau Christiane Fetscher.

Die Idee für diese Ausstellung entstand vor ca. fünf Jahren als Dr. Simon und die Schulleiterin des Gymnasiums Villa Elisabeth, Dr. Sabine von Platen, einen Kooperationsvertrag unterzeichneten. Im anschließenden Gespräch mit Schülern des Gymnasiums erzählte Dr. Simon warum gerade Zeuthen, eine Kleinstadt in unmittelbarer Nachbarschaft zu Wildau, bei ihm besondere Erinnerungen an seine Mutter weckte. Seine Mutter, eine Berliner Jüdin, entschloss sich 1941nach zweijähriger Zwangsarbeit bei dem Siemens-Wernerwerk in Berlin unterzutauchen. Es gab zahlreiche Orte und Menschen, bei denen sie sich verstecken konnten. U. a. auch in Zeuthen im Spätherbst 1942, wo sie bei einer Artistenfamilie für mehrere Wochen Unterschlupf fand.

Diese kurz erzählte Geschichte von Dr. Simon wurde zum Thema des Schülerprojektes unter der Leitung von Dr. Jochen Fleischhacker. Schnell fanden sich interessierte Schülerinnen und Schüler zusammen, die begannen, sich mit dem spannenden Thema Juden im Untergrund zu beschäftigten. In der ersten Phase der Projektarbeit nährten sich die Schülerinnen und Schüler dem Thema Juden im Untergrund und ihrer Helfer an, indem sie sich mit biographischen Berichten, von Juden, die die NS-Herrschaft in Deutschland überlebten, beschäftigten. So

z. B. die autobiographische Geschichte von Inge Deutschkron „Ich trug einen gelben Stern.“ Sie gewannen konkrete Vorstellungen über den Alltag der Juden, über das Leid, die

öffentliche Diffamierung, die zunehmende Ausgrenzung in allen Lebensbereichen. Sie lernten auch, dass Tausende Juden sich der NS- Diskriminierungs- und Verfolgungspolitik widersetzten, in dem sie sich der Deportation entzogen. Der einziger Rettungsweg war das Versteck. Das Überleben im Untergrund war möglich geworden durch die Mithilfe vieler Helfer. Auch Marie musste viele Verstecke finden. Bei diesen Rettungsaktionen riskierten ihre Helfer Leib und Leben. War es doch in diesen Jahren verboten, jeglichen Kontakt mit den Juden zu haben.

Der Projektschüler Lukas Schramm erzählte unter dem Eindruck der Projektarbeit: „Ich habe ein Paar Bücher zum Thema ‚Juden im Untergrund‘ gelesen. Ich habe dabei festgestellt, dass der Antisemitismus eine große, wenn nicht die größte Tyrannei in der Geschichte der Menschheit war.“

Und Martin Minx äußerte sich, wie nah ihm das Schicksal von Marie Jalowicz ging: „Es sind nicht einmal 70 Jahre her, dass das alles geschah. Zum Einem der brutale Hass gegen alle Juden und zum Anderem der Mut von Marie, die sich hier in unserer unmittelbaren Umgebung versteckt hielt.“

Neben der biographischen Lektüre und historischen Quellen über den Rassenwahn im Alltagsleber der deutschen Juden, setzten die Projektschülerinnen und –schüler die Arbeit mit der Feldforschung fort. Ein längeres Interview mit Dr. Simon, der vor allem über die Jahre der Zwangsarbeit seiner Mutter und ihr Versteck bei der Artistenfamilie Fiochi berichtete, bildete eine wichtige Grundlage für die Erarbeitung des Projektes. Seine Schilderungen und Erzählungen machten den Projektschülerinnen und –schülern bewusst, dass sie, um weitere Spuren von Marie Jalowicz zu finden, in Zeuthen auf Suche gehen mussten.

Gesagt getan, suchten die Projektschülerinnen und –schüler nach Zeuthener Anwohnern, die sich möglicherweise noch an die Artistin Camila Fiochi, erinnern.

Sie interviewten zahlreiche Mitglieder der Zeuthener Heimatchronisten, die allerdings keine Einzelheiten über die Hilfe der mutigen Artistin Camila Fiochi für Marie kannten. Nicht locker lassend, stießen die Projektschülerinnen und –schüler bei ihrer Spurensuche auf ein Rondell aus Stein und Lehm. Von alteingesessenen Zeuthnern erfuhren sie, dass es sich hierbei um das Übungsgelände für Artisten handelte. Nicht ausgeschlossen war, dass hier auch Camila Fiochi mit ihrer Artistentruppe, zu der zeitweise auch Marie Jalowicz gehörte, ihre Darbietungen probten. Also entschieden sich die Projektschülerinnen und –schüler, diesen Fund in ihrer Ausstellung zu dokumentieren

In mühevoller Arbeit erarbeiteten die Projektschülerinnen und –schüler die Texte für die Ausstellung. Immer wieder wurden in den wöchentlichen Projektsitzungen einzelne Textpassagen diskutiert, korrigiert oder auch neu verfasst. Ehrgeizig suchten sie in Bildarchiven nach Bildmaterial in Zeuthen, Berlin und bei dem Siemenskonzern in München. Dabei mussten sie sich auch mit einem völlig neuen Thema – der Genehmigung zur Veröffentlichung von Bildern und Dokumenten – beschäftigen.

Der Besuch der Dauerausstellung „Stille Helden“ am Hackeschen Markt in Berlin war eine wichtige Ergänzung zur laufenden Projektarbeit.

Zu guter Letzt bestand die Aufgabe, die Ausstellung zu gestalten und aufzubauen. So baute einer der Projektschüler allein einen Schrank, durch den die Besucherinnen und Besucher in die Ausstellung schreiten. Hierzu sagte die Projektschülerin Katharina Knaust: „Ich fand es toll, an dieser Ausstellung mitzuwirken und das Projekt mit Ideen zu bereichern. Besonders Spaß hat mir die Gestaltung des Ausstellungsraumes gemacht. Auch toll finde ich, dass unsere Präsentation eine Wanderausstellung ist. Somit werden auch noch andere Schulen auf das Thema aufmerksam gemacht.“

Unmittelbar nach Eröffnung der Wanderausstellung besuchten bereits mehr als 250 Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Villa Elisabeth in Wildau gemeinsam mit ihren Lehrerinnen und Lehrern und Eltern die eindrucksvolle Präsentation.

Wenige Tage nach der Eröffnung der Ausstellung zog die Ausstellung vom Wildauer Gymnasium nach Eichwalde.

Gezeigt wird sie in der Oberschule Villa Elisabeth in Eichwalde in der Uhlandallee 28-30, 15732 Eichwalde, Tel:.030/6755262. Die Ausstellung kann dort täglich von Montag bis Donnerstag, in der Zeit von 09.00 bis 15.00 Uhr und am Freitag von 09.00 bis 13.00 Uhr besichtigt werden.

Hierzu laden Sie die Projektschülerinnen und –schüler: Dario Dunkel, Katharina Knaust, Martin Minx, Claudio Quien-Parimbelli, Sabrina Richter, Lukas Schramm, Sophie Steindorf und Melissa Ullmann herzlichst ein.

Dr. J. Fleischhacker