Vom 25. bis 31. August 2009 ( vollständiger Text der Pressemitteilung unter Menüpunkt “Presse” zum Herunterladen) begab sich der Zeitzeuge und Holocaustüberlebende Michael Maor auf eine Lesereise durch sechs Städte Sachsen – Anhalts (Halberstadt, Wernigerode, Blankenburg, Quedlinburg, Ilsenburg, Aschersleben und Wittenberg). In jeder Stadt sprach Herr Maor zu Schülerinnen und Schülern weiterführender Schulen und beantwortete ihre Fragen. Insgesamt besuchte Herr Maor dabei zehn weiterführende Schulen, mit etwa 620 Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen acht bis zwölf.

Michael Maor wurde 1933 als Einzelkind jüdischer Eltern in Halberstadt geboren. Seit seiner Geburt wurde seine Familie verfolgt. Haftaufenthalte und Zeiten auf der Flucht wechselten sich ab.

Als Michael Maor elf Jahre alt war, wurden seine Eltern auf der Flucht aus Topusko (heutiges Kroatien) von den Deutschen erschossen. Ihm gelang die Flucht nach Italien und im Juni 1945 schließlich die illegale Einreise nach Palästina.

Nach dem Armeedienst studierte Herr Maor Fotografie in Deutschland. Parallel sowie im Anschluss daran war er als Spezialagent für den Mossad tätig. Unter anderem wirkte er bei den Vorbereitungen zum Prozess gegen Adolf Eichmann mit. Herr Maor lebt heute mit seiner Frau in Israel.

Er war bereits einmal zu Besuch in Sachsen-Anhalt, und zwar im Jahr 2008 in seiner Geburtsstadt Halberstadt. Herr Maor spricht fließend Deutsch.

Die Flick Stiftung realisierte dieses Projekt in Zusammenarbeit mit der Moses Mendelssohn Akademie in Halberstadt

Schülerberichte

“Ich hatte ein wildes und interessantes Leben!” – ein Zeitzeuge des Holocausts berichtet vor Martineern

Der am 25. Februar 1933 in Halberstadt geborene jüdische Mitbürger Horst Michael Gert Sternschein, bekannt als Michael Maor, besuchte am Dienstag, dem 25. August 2009, das Gymnasium Martineum, um vor den Schülern der 10. Klassen aus seinem Leben während und nach dem Holocaust zu berichten.

Obwohl er in Halberstadt geboren wurde, kennt er die Kreisstadt kaum. Denn fast seine ganze Kindheit verbrachte er in der Nähe Bonns, bei seiner Großmutter. Dort besuchte er auch eine jüdische Schule. Nach dem Kriegsausbruch floh Michael mit seinen Eltern nach Jugoslawien. In Split an der Adriaküste wurden sie eineinhalb Jahre später von den Italienern auf die Insel Rab gebracht und in das dortige jüdische Konzentrationslager verschleppt. Nachdem jedoch Italien 1943 aus dem Krieg ausgeschieden war, konnte Michael mit seiner Familie fliehen und fand in einem kleinen Dorf nahe Semin Obdach. Die Familie reiste später weiter bis nach Topusko (Kroatien), wo Michaels Eltern ein Café eröffneten. Während einer der häufigen Partisanenangriffe verlor der gerade mal elfjährige Junge seine Eltern, woraufhin er in ein Waisenhaus kam. Als er 1945 glücklicherweise mit einer jüdischen Familie, die sich seiner angenommen hatte, wieder nach Split geschmuggelt werden konnte, stand der anstehenden Reise über Neapel bis nach Bari in das zionistische Lager nichts mehr im Wege. Von dort aus sollte es noch weiter nach Israel gehen. Als er dort mit zwölf Jahren ankam, fand er auch gleich das Kibbutz Mizra wo er aufgenommen wurde und bleiben konnte.

Mit 18 Jahren wurde er zu einem dreijährigen Militärdienst einberufen. Nach einem Jahr als Fallschirmspringer wurde er später zum Offizier ernannt und nahm am Sinai-Krieg teil. Danach absolvierte Maor ein Fotografiestudium in Köln. Außerdem war er bei der IPA (International Police Associaton) tätig und beherrscht heute mehrere Sprachen, darunter Deutsch, Englisch, Hebräisch, Jugoslawisch und Portugiesisch.

Da er sich auch mit der Aufarbeitung der Geschichte beschäftigt, besonders mit der Nachkriegszeit, konnte Maor in dem Fall Adolf Eichmann wichtige Beweise liefern, sodass er 1961 in Israel zum Tode verurteilt werden konnte. Eichmann war einer der Hauptverantwortlichen bei der so genannten „Endlösung der Judenfrage“ im 2. Weltkrieg. Maor konnte beweisen, dass 5-6 Millionen Juden auf Befehl Eichmanns grausam sterben mussten.

Heute lebt Michael Maor mit seiner Frau in Israel.

Er beendete seinen eindrucksvollen und gut nachvollziehbaren Bericht über sich mit dem Satz:„Ich hatte ein wildes und interessantes Leben!“

Für die Jugendlichen war es eine besondere Erfahrung, nicht nur im Unterricht, sondern von einem Zeitzeugen des Holocausts zu hören, wie schwer und grausam es zur damaligen Zeit nicht nur in Deutschland für die Juden war. Außerdem ist es bewundernswert, dass ein Jude, der den Holocaust überlebt hat, so erfolgreich geworden ist und viel in seinem Leben erreichen konnte.

Sarah Pulz

Klasse 10

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Zeitzeugenberichte bringen uns auf eindrucksvolle und interessante Weise die Geschichte als Erfahrung eines Menschen näher. Bei Berichten dieser Art wussten wir nicht, was uns erwartet und so waren wir sehr gespannt auf seine Erzählung, wie er als Kind im Nationalsozialismus lebte, dann flüchtete, Verluste hinnahm und doch immer wieder Hoffnung schöpfte. Durch diese Art von Gesprächen wird Geschichte greifbarer und auch verständlicher für uns.

Der Altersunterschied zwischen Herrn Maor und uns Schülern spielte keine Rolle, denn aus den 76 Jahren hat er sich Weisheiten und Wissen angeeignet, die uns beeindruckten. Da Herr Maor sehr intensiv mit dem politischen Geschehen in Israel verbunden war, wirkte er teilweise sehr außergewöhnlich mit seiner Sichtweise auf die Welt. So bezog Herr Maor zum Ende hin eindeutig Stellung für die israelische Sichtweise des Nahost-Konfliktes. Dadurch regte er zu Nachfragen und zum Nachdenken an.

Im Namen der Klasse 11a des Martineums

Ulrike Rebettge und Sarah Ulbrich

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Eine würdevolle Begegnung – Micha Maor

Micha Maor, geb. 1933, traf am 25.08. 2009 auf Schüler des Martineums. Der Jude aus Halberstadt erzählte über sein interessantes Leben, erzeugte eine spannende Atmosphäre, mit der er die Zuhörer begeistern konnte.

Die Berichte über seine geheimdienstliche Tätigkeit und seinen Überlebenskampf erzeugten Begeisterung. Trotzdem ließen die traurigen Erzählungen Platz für einige humorvolle Bemerkungen, die manches Schmunzeln auf den Gesichter der Schüler erscheinen ließ.

Auch an Lebensweisheiten sollte es während seiner Erzählungen nicht mangeln.

Man konnte durch Micha Maor und seine Geschichte sehen, dass es wichtig ist niemals aufzugeben, egal in welcher Situation man sich befindet, man muss das Beste daraus machen und weiter kämpfen. Als Überlebender des Holocaust konnte er die Verhältnisse im Faschismus, die Grausamkeiten und die Brutalität, die den Juden angetan wurden aufzeigen.

Diese Begegnung hat für mich eine große Bedeutung, da meiner Generation (ich bin 17) nur noch selten Zeugen des Holocaust und des Nationalsozialismus erleben kann. Deshalb sind solche Begegnungen besonders wertvoll und lehrreich.

Nach der Begegnung im Martineum trafen sich Mitarbeiter der Moses-Mendelssohn-Akademie, Herr Maor und Mitglieder der jüdischen Familie Semmel im Museumscafé Hirsch zum Mittag. Da ich über meine Schule mit der Mendelssohn-Akademie zusammenarbeite, konnte ich an diesem Essen teilnehmen. Hierbei wurde mir zunehmend bewusst, wie gebildet und freundlich Herr Maor ist.

Mit der Begegnung wurde mir klar, wie behütet wir leben und wie unbedeutend unsere Probleme im Vergleich zu denen anderer Menschen sind, die dennoch nicht aufgeben.

Danny Riethausen